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Mord im Orient-Express oder gesellschaftspolitisches Drama?

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Mord im Orient-Express oder gesellschaftspolitisches Drama?

Viele wird sicherlich die Starbesetzung des Movies „Mord im Orientexpress“ in die Kinos gelockt haben. Aber 2017 eine Geschichte von Agatha Christie aus dem Jahre 1934? Ist das nicht ein alter Hut?

Nein, sondern hochaktuell und spannend, denn hier wird gleich zum Nachdenken über mindestens drei gesellschaftspolitische Fragestellungen angeregt.

  1. Der Fall vor dem Fall des Hercule Poirot– drei Weltreligionen werden gegeneinander aufgehetzt durch den Verdacht, einen Diebstahl begangen zu haben. Keine dieser drei Religionen war es. Die Vertreter trugen dünnbesohlte Schuhe, führten ein einfaches Leben. Sie hätten den Reichtum der Beute nicht ohne aufzufallen genießen können.  Allerdings hatte die Obrigkeit von Jerusalem ein Motiv, den Streit aufrecht zu erhalten – ihre Existenzberechtigung bestand in der Wahrung der Sicherheit, der Schlichtung eines Streits mit ihren Mitteln der Macht.  Ohne religiösen Streit kein Eingreifen politischer Strukturen und die Erhaltung des Systems? Zufall, dass die Quelle für diesen religiösen Streit, auf dem Tempelberg gewählt wurde? Oder realpolitische Metapher?  Zufall, dass diese Szene nirgendwo kommentiert wird? Und warum, fragt man sich heute, nehmen religiöse Konflikte weltweit wieder zu? Warum leben wir mit Terror und Angst? Glaubt jemand ernsthaft, dass Mütter Kinder großziehen, um sie als Kanonenfutter oder Selbstmordattentäter  opfern zu wollen? Warum sollten sie dies tun? Für wen? Für was? Alle Weltreligionen verfolgen die gleichen Ideen, den Wunsch nach Gerechtigkeit, Frieden. Wer kann Interesse daran haben, Konflikte zwischen Christen, Moslems u.a. zu forcieren? Wer profitiert davon, dass Misstrauen zwischen den Menschen immer besteht und weiter angeschürt wird? Wer profitiert von dem Einsatz der Methode „Teile und herrsche“? Wer profitiert davon, Mangelwirtschaften aufrecht zu erhalten, Ressourcenkämpfe zu initiieren? Technologien nicht zum Einsatz zu bringen, um weltweit Wohlstand für alle zu erreichen? Wer profitiert davon, dass Menschen nicht von wissenschaftlichem Fortschritt profitieren und gemeinsam an einer lebenswerten Zukunft bauen, sondern ihre wertvolle Lebenszeit in Kriegen, mit Wut, Hass,  Angst vor religiösen Konsequenzen“ opfern?  Wer profitiert davon, dass Wissen und Bildung nur einem Teil der Menschen zur Verfügung stehen?  Vielleicht haben Sie ja bereits die Antworten auf diese Fragen gefunden.
  2. Wenn etwas aus dem Gleichgewicht gerät, dann gehört es wieder in die richtige Ordnung gebracht.  Ob man nun, so wie Hercule Poirot  mit dem anderen Fuß auch in den Pferdemist treten muss, ist sicher eine  Geschmacksfrage. Sicherlich würden die meisten eher bevorzugen, den schmutzigen Schuh wieder zu säubern. Aber dafür fehlte dem Meisterdetektiv in diesem Moment die Zeit. Vielleicht sollten wir uns gegenwärtig häufiger die Zeit nehmen, die Dinge, die aus dem Gleichgewicht geraten sind, zuerst zu hinterfragen, um sie dann wieder zu richten.  Und auch Poirot nutzte für das Erkennen der Unordnung und zum Lösen seiner Fälle den „kindlichen Ansatz“ nach dem „Warum?“ zu fragen. Nicht das , was man sieht oder hört ist entscheidend, sondern zu fragen, warum sehe ich dies oder höre ich das? Wer könnte ein Interesse daran haben, den menschlichen „Sinnen“ Informationen zu übermitteln, damit diese bestimmte Schlüsse ziehen, dann danach handeln und ihr Verhalten danach ausrichten? Sollte man hier nicht einfach nach dem Sinn dahinter fragen?  Oft steht eine kausale Kette vordergründig  im Raum, aber geht es nicht vielmehr darum, Haltungen, Meinungen und Denken in gewisse Richtungen zu lenken, um damit Politik zu betreiben? So wie Mörder und Verbrecher ihre Fährte verwischen, Indizien manipulieren? Und ändert sich nicht plötzlich die Sicht, wenn man die Frage nach dem „Warum“, dem Motiv stellt?
  3. Das vom Menschen geschaffene „System“ reicht  nicht aus, alle aus dem Gleichgewicht geratenen „Dinge“ wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Zu dieser Erkenntnis kommt Poirot nach dem er den Fall gelöst hat, aber erkennen muss, dass das Rechtssystem an seine Grenzen stößt. Oftmals widersprechen Gesetze dem humanistischen Empfinden, moralischen und ethischen Werten, aber auch der Möglichkeit „wahr“ und „falsch“ trennscharf zu definieren. Zwar haben sich Menschen „bemüht“, Regeln für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben aufzustellen, sind dabei aber trotzdem an zahlreichen Stellen gescheitert. Ein Rechtssystem verliert dann seine Berechtigung, wenn es von der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr verstanden wird und viele damit nur damit beschäftigt sind, diese Regeln in ihrem Interesse zu umgehen, zu beugen, zu gestalten.  Hier muss man sich fragen, warum „beherrschen“ komplizierte oder nicht zeitgemäße Gesetzeswerke die Menschen, die deren Inhalte nicht mehr „beherrschen“, nicht mehr verstehen und die nicht zu einer gerechteren Welt beitragen? Wer beherrscht hier wen? Warum können Menschen nicht mehr einfach mit einander kommunizieren, ohne juristische Hilfe zu nutzen? Warum gibt es oft keine Gerechtigkeit, sondern nur Rechtsprechung, die letztendlich von Bildung, Eloquenz oder  gesellschaftlicher Position abhängt? Wer verfasst Gesetze, wer „interpretiert“ sie, wer setzt sie durch? Hier steckt wohl auch unser heutiges System bereits  in einer Sackgasse.

Ein Dank an Kenneth Branagh, der dem Film Tiefgang gibt, von dem man eigentlich „nur Unterhaltung“ erwartet und den Kritiker vor allem sicher als kritisch sehen, weil er den Blick für wichtige gesellschaftliche Zusammenhänge schärft. Ob der Versuch gelingt, die Zuschauer vom Nachdenken, durch ihre niederschmetternde Beschreibung des Films als  „staubigen und altmodischen Blindgänger“ abzuhalten, entscheiden letztendlich Sie.

Jeder sieht, was er sehen will oder was er sehen kann, um es etwas zu objektivieren.

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